Es ist heiß am Balaton. Der Plattensee ist immer noch die Urlaubsdestination Nummer 1 in Ungarn. Deshalb ist es bei 35 Grad nicht verwunderlich, dass sich Ende Juli tausende, vorwiegend ungarische Besucher im größten Binnensee Europas vergnügen. Und wir mittendrin. Und es wird gespritzt, geschrien, gespielt und auch eine ganze Menge gegrillt und Wein getrunken, dass es eine wahre Freude ist. Ungarn sind die dezentesten Urlauber nicht. Ein Bier kostet weniger als eine Cola. Was vielen Urlaubsorten hier einen leichten Ballermann-Touch gibt. Quasi Balamann am Balaton (sorry für den Kalauer!).
Aber man ahnt, was für eine Anziehungskraft der Balaton bereits zur Zeit des Eisernen Vorhangs gehabt haben muss. Als westliche Partydestinationen wie Ibiza, Mallorca oder Rimini Urlaubern aus der DDR und anderen Ostblockländern noch verwehrt waren. Heute ist der Balaton jedenfalls so demokratisch, wie man es sich nur vorstellen kann. Es dominieren nicht italienischer Sportschick oder Riviera-Eleganz, sondern Adiletten, Cargoshorts und Kunstleder-Bauchtaschen. Eine Art später Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie.
Bei den Sehenswürdigkeiten haben die Ungarn dagegen ihre aristokratische Geschichte wiederentdeckt. Auf dem Weg zum Plattensee konnten wir das Schloss Esterházy in Fertöd besichtigen. Es wird nicht umsonst als ungarisches Versailles beschrieben. Vor allem Fürst Nikolaus I. hat es hier richtig krachen lassen, wie man heute sagen würde: Opern- und Theateraufführungen, Bälle, Jagden. Hofkapellmeister war ein gewisser Joseph Haydn, der hier einige seiner berühmtesten Werke uraufführte. Kein Wunder, dass Nikolaus I. den Beinamen "der Prachtliebende" trug. Und kein Wunder, dass sein Nachfolger das Schloss aufgrund leerer Staatskassen unmittelbar nach dem Ableben des Prachtliebenden stilllegte und quasi in einen Art Dornröschenschlaf versetzte.
In den Jahren danach wurde das Schloss zum Teil als Getreidelager verwendet. Im Bellevue im zweiten Stock wurden in der Nachkriegszeit russische Soldaten der Roten Armee untergebracht. Die Propaganda-Sprüche zu Ehren der "russischen Helden" sind heute noch dort zu lesen. Inzwischen ist das Schloss zu großen Teile rekonstruiert und restauriert. Auf dass wir Bürgerlichen es besichtigen können - und es dann am Balaton krachen lassen. PS: Junggesellenabschied heißt auf Ungarisch übrigens Legénybúcsú…