Wein, Kitsch und Nationalismus: Eger

Stolz reckt Dobó István sein Schwert in den Himmel. Immerhin hat er 1552 die Burg Eger in einer fünfwöchigen Belagerung mit nur 2000 Ungarn gegen 70.000 anstürmende Osmanen verteidigt. Was für ein Glück für Eger. Also damals. Und auch nur kurzzeitig. Denn nur gut 40 Jahre später haben die Türken es erneut versucht - und geschafft. Die nächsten 91 Jahre wurde Eger von den Osmanen beherrscht. Wovon man allerdings außer einem alten Minarett heute kaum noch etwas sieht. Der kurzzeitige Sieg des ungarischen Nationalhelden  Dobó István gegen den Ansturm der Muslime ist dagegen quasi omnipräsent in Eger.

 

Eger ist eine charmante Kleinstadt mitten in leicht geschwungenen Weinbergen, vielen kleinen Weinkellern, Weinlokalen, mit einer sehr leckeren Art Baumkuchen, einer wundervollen erzbischöflichen Bibliothek und dominiert von der Burg Eger und ihrer Story von Dobó István. Eine Story, die wie gemacht ist für den ungarischen Nationalstolz. Und deshalb taucht sie quasi überall auf: Es gibt einen berühmten Roman, mehrere Verfilmungen und ein Musical, das jährlich in der Burg Eger aufgeführt wird. Darin besiegt Dobó István nicht nur die Türken. Es gibt auch noch eine kitschige Lovestory.

Ich mag etwas überinterpretieren. Aber die Story der tapferen, christlichen, ungarischen Helden gegen die übermächtigen, bedrohlichen Türken ist so bestechend, dass es wohl kein Zufall ist, dass die rechtsextreme Partei "Mi Hzánk Mozgalom", denen selbst Viktor Orbáns Fidesz zu links ist, ihr schickes Büro ausgerechnet am Fuß der Burg Eger hat. Dass Ungarn fest in Europa verankert ist, sieht man glücklicherweise trotzdem überall. An allen mehr oder weniger wichtigen Gebäuden hängen Europaflaggen. Und die zentralen Supermärkte sind Aldi, Lidl, Spar und Penny. Die haben Ungarn offenbar schneller und dauerhafter besetzt als die Osmanen. 

Kleine, schöne Geschichte noch, die wir auf dem Weg hierher entdeckt haben: In Balatonudvari am Plattensee gibt es einen alten Friedhof mit einer herzigen Tradition. Angeblich hat ein verliebter, sentimentaler Steinmetz hier seiner verstorbenen Herzensdame einen letzten Liebensgruß mit auf den Weg gegeben in Form eines speziellen, herzförmigen Grabsteins. Diese Tradition haben die anderen Dorfbewohner aufgegriffen. Und so gibt es heute dort zahlreiche Gräber mit diesen und ähnlichen Herzsteinen. So einfach. Und doch so schön.