Mit erhabenem Blick wacht die "Heilige Sofia" hoch über der Stadt. In der einen Hand eine Eule als Symbol der Weisheit, in der anderen einen Lorbeerkranz als Zeichen der Macht. So hat sich der Bürgermeister der bulgarischen Hauptstadt das im Jahr 2000 vorgestellt. Und eine Statue der Heiligen Sofia als neues, goldenes Wahrzeichen auf dem zentralen Platz Serdika aufstellen lassen. Der Stadtrat hatte zuvor schon den 17. September, den Tag der "Heiligen Sofia von Mailand" zum Stadtfeiertag erhoben. Und dann kamen die Nörgler und Besserwisser. Denn die Stadt hat ihren Namen gar nicht von dieser Heiligen. Vielmehr sind sich die Historiker ziemlich einig, dass er auf eine Kirche gleichen Namens zurückgeht, die wiederum zu Ehren der Weisheit gebaut wurde. Was auf Altgriechisch eben "sophia" heißt, ähnlich wie bei der "Hagia Sophia" in Istanbul. Stadtrat, Bürgermeister und Künstler ruderten lange rum. Bis der Künstler in einem Interview einräumte: "Nun gut, sie ist nicht heilig. Einfach nur Sofia."
Die Story ist nicht nur lustig. Sie sagt, finde ich, auch etwas über das Selbstverständnis dieser Stadt aus. Irgendwie hat man das Gefühl, die bulgarische Hauptstadt kämpft um ihr Image. Bulgarien ist statistisch gesehen das Armenhaus Europas. Und das merkt man auch in Sofia. Die meisten Straßen und Gehsteige sind löchrig. Viele Häuser sind verfallen und mehr als renovierungsbedürftig. In den Eingängen zur Metro bitten Bettler um Kleingeld. Aber Sofia hat Charme. Hier haben die sozialistischen Machthaber nicht ganz so brachial gewerkt wie etwa in Bukarest. Es gibt noch viele alte Häuser, die ein fast französisches Flair vermitteln. Der Beiname "Paris des Ostens" würde zu Sofia viel besser passen als zu Bukarest. Es gibt Kneipen mit kleinen Schanigärten und Brettspielen in Regalen, bunte Graffitis an altem Gemäuer und eine fast an Berlin erinnernde Off-Kultur. Mit etwas mehr Selbstbewusstsein sollte Sofia am besten noch eine Statue aufstellen, mit einer coolen Sonnenbrille. Einfach nur Sofia, eben.