Gori ist eine eher wenig spannende Kleinstadt im Zentrum Georgiens. Das wohl bemerkenswerteste, was die Stadt bisher hervorgebracht hat, ist Joseph Dzhugashvili. Der Sohn eines Schusters wurde hier 1873 in ärmlichen Verhältnissen geboren und wurde später unter seinem Kampfnamen Josef Stalin weltbekannt. Oder sollte man eher berüchtigt sagen? Als Diktator der Sowjetunion war er zwischen 1927 und 1953 verantwortlich für unsagbares Leid. Schätzungen gehen von rund 20 Millionen Todesopfern in der damaligen UdSSR aus: Hungertote durch rücksichtslose Zwangskollektivierungen, dazu Millionen Menschen, die deportiert wurden, in Gulags starben oder im Zuge sogenannter "Säuberungen" hingerichtet wurden. In Gori will man davon allerdings (fast) nichts wissen.
Die Stadt hat ihrem berühmtesten Sohn bereits kurz nach seinem Tod in den 50er Jahren ein denkmalähnliches Museum gebaut. Darin wird der Tyrann als großer Staatmann gefeiert, der den Wohlstand seines Volkes gemehrt und die deutschen Nazis bezwungen hat. In dutzenden Stalin-Bildern und Büsten sieht man den berühmten Georgier mit kleinen Kindern auf dem Arm, beim Plausch mit Mao Zedong oder den Friedensverhandlungen nach dem zweiten Weltkrieg. Wahlweise auch als liebevollen Familienvater mit seinen beiden Ehefrauen und Kindern. Und im letzten Raum als Totenmaske, pietätvoll in purpurne Szene gesetzt. Dass sich seine zweite Frau vor dem Hintergrund des Grauens das Leben nahm und einer seiner Söhne, den Stalin nicht aus deutscher Kriegsgefangenschaft freitauschen wollte, dort ums Leben kam - möglicherweise ebenfalls durch Selbstmord - spielt in Gori eher keine Rolle.
Dafür hat die Stadt vor dem Museum sogar das kleine Geburtshaus von Stalin wiederaufgebaut und mit einer eigenen Halle überdacht. Direkt daneben der original Pullman-Bahnwaggon, in dem der an Flugangst leidende Stalin durch Europa reiste. Über 80 Tonnen schwer, wegen der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen. Kurz: Das Stalin-Museum ist ein echter Pilgerort für Stalin-Nostalgiker. Mehrere Versuche, diese Beweihräucherung auch nur etwas zu relativieren, waren am Stadtrat von Gori abgeprallt.
Erst der blutige Kaukasuskrieg 2008 zwischen Georgien und Russland führte zu einem gewissen Umdenken. Seitdem gibt es im Erdgeschoss zumindest einen kleinen Raum, in dem mit einigen Fotos und Texttafeln auf die Gräuel in der UdSSR und die blutigen Folgen des Kaukasuskriegs hingewiesen wird - auch, wenn diese wenigen Tafeln eher wie Fremdkörper in diesem Stalin-Jubelbau wirken. Der Umgang mit der eigenen Geschichte ist halt manchmal ein schwieriger Prozess; das Stalin-Museum in Gori ein abschreckendes Beispiel, wie man es besser nicht machen sollte.