Um es gleich zu sagen: Besonders viel Charme versprüht Ankara nicht. Die türkische Hauptstadt ist genau das, was der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk nach dem Befreiungskrieg 1923 von seiner neuen Hauptstadt wollte: Sie ist funktional. Ankara ist eine moderne Stadt. Hochhäuser, eine funktionierende Infrastruktur mit Metro und gut ausgebauten Stadtautobahnen, eine Innenstadt mit allen wünschenswerten Shoppingmöglichkeiten, Vorstädte, deren tausende gleichförmige Wohnblocks zwar keine Architekturpreise verdienen, aber vermutlich eine ordentliche Wohnqualität bieten. Hier fahren keine Pferdekarren mehr, die Fleischer im Basar bieten ihre Ware in Kühltheken an, die Jugendlichen tragen moderne Bluetooth-Kopfhörer. Kurz: Die 5,8 Millionen Einwohner-Metropole ist eine moderne Stadt.
Und Ankara huldigt ihrem Mentor dafür. Atatürk auf kleinen Fähnchen, Atatürk-Zitate auf Großflächenplakaten, Atatürk-Plätze, Atatürk-Straßen, ein Atatürk-Denkmal im zentralen Genclik-Park. Und natürlich das Atatürk-Mausoleum samt Museum eingebettet in eine riesige Parkanlage. Größer geht es kaum. Der gigantische Vorplatz des ebenfalls gigantischen Mausoleums wird von puppenhaften Gardesoldaten bewacht. Tausende strömen jeden Tag vorbei, um ein Selfie vor dem Sarkophag des "Vaters der Türkei" zu machen (der selbst übrigens gar nicht im Sarkophag liegt, sondern sieben Meter darunter bestattet wurde).
Der protzige Präsidentenpalast des aktuellen Regenten Erdogan ist zwar nur einige Kilometer entfernt. Trotzdem wirkt der längst verstorbene Atatürk in der Hauptstadt deutlich präsenter. In Gaststätten und Geschäften haben wir jedenfalls nur Atatürk-Porträts gesehen, kein einziges von Erdogan. Eine Art National-Nostalgie, mit der die Einwohner von Ankara vielleicht ein bisschen den fehlenden Charme ihrer erst im letzten Jahrhundert gewachsenen Stadt wettmachen wollen. So oder so, vermutlich lebt es sich einfach auch ohne Charme ganz gut in Ankara. Zweckmäßig halt.