Was für eine Stadt! Istanbul, das früher Konstantinopel und noch früher Byzanz hieß, ist genauso vielschichtig wie seine zweieinhalbtausend-jährige Geschichte. 15 Millionen Menschen leben hier. In einem vibrierenden Delta zwischen Marmara-Meer, Goldenem Horn und Bosporus. Wo sich Europa und Asien treffen. Und tatsächlich hat man das Gefühl, Istanbul pickt sich das Beste aus diesen beiden Welten. Hier gibt es traditionelle Bakkal-Geschäfte (quasi die türkische Variante der Tante-Emma-Läden, mit Oliven, gerösteten Riesensonnenblumenkernen und Käse) direkt neben modernen Supermärkten. Die Rocklängen der Frauen reichen von knöchellang bis kurz unter Po, mit Schleier und ohne Schleier.
Baklava wird im hippen Candyshop verkauft. Im Basar wird kräftig gefeilscht - und dann kontaktlos per Handy bezahlt. Elegante Kolonialbauten aus dem 19. Jahrhundert stehen neben osmanischen Moscheen, die Rollläden der Shops im Erdgeschoss mit Graffities besprüht. Und über allem thronen fast majestätisch die großen Moscheen, allen voran die Hagia Sophia (die die längste Zeit gar keine Moschee war, sondern eine christliche Kirche, und die damit diese Ost-West-Spannung quasi schon in sich verkörpert). Entsprechend bunt gewürfelt sind die Istanbuler. Wer hier Tourist, und wer türkischer Wirt mit einer Vorliebe für französische Chansons ist, lässt sich nicht immer zweifelsfrei sagen. Besagter Wirt hat uns übrigens ganz spontan eine Kette mit einem Herz geschenkt. Einfach so, weil er es "gerne mache". Istanbul ist wirklich eine Stadt zum Verlieben.
Dabei pflegt die Stadt durchaus einige Marotten. So lieben die Istanbuler ganz offenbar Katzen. Sie sind überall. Auf Straßen, in Restaurants, sogar in Kirchen. Und die Istanbuler stören sich daran nicht. Ganz im Gegenteil. Abends stellen viele den wild lebenden Tieren Katzenfutter und Wasser raus. Eigene Katzenhäuschen sollen ihnen Schutz bieten. Es gibt ein Katzenmuseum. Und im Viertel Kadiköy sogar eine Bronzestatue in Form einer Katze.
Die Haupteinkaufsstraße Istiklal ist selbst im September beleuchtet wie die Münchner Kaufingerstraße im Advent. Dabei kann man sich hier von einem Süßigkeitenladen zum nächsten durchfuttern. Ein Wunder, dass die Istanbuler nicht alle zwei Zentner wiegen. Auch in Istanbul ist Staatsgründer Atatürk allgegenwärtig. Selbst in öffentlichen Gebäuden wie dem Hauptpostamt hängt sein Bild (und lief erstaunlicherweise „Stille Nacht, heilige Nacht“ im Hintergrund). Und auch die vielen Alternativläden im Szeneviertel Beyoglu geben sich kemalistisch. Hier findet man das Bild von Atatürk direkt neben dem der Hagia Sophia vor schräger Neon-Deko. Lässiger als Istanbul geht kaum.